Willkommen im Mittelalter: mit der Spinnerin am Kreuz verfügt Wien über ein Kulturdenkmal der besonderen Art. Das „new Stainain kreucz ob Mavrling“ (das steinerne Kreuz ober Meidling), wie das Monument bei seiner Errichtung im Jahre 1451 ursprünglich noch genannt wurde, befindet sich auch heute noch (fast) an der selben Stelle. In Auftrag gegeben wurde es von der Stadt Wien und ersetzte ein im Krieg von 1446 stark in Mitleidenschaft gezogenes einfacheres Stein-Kreuz. Die „Schande“ der Zerrstörung war insofern groß, da es sich damals um einen von allen Richtungen weit ersichtlichen Platz handelte. Für den Bau der neuen Bildsäule verantwortlich zeichnete niemand geringerer als Baumeister Puchsbaum, der auch Bauleiter des Wiener Stephansdoms war. In Folge sollte auch die Spinnerin am Kreuz – wie sie um das Jahr 1804 zum ersten Mal offiziell genannt wurde – zahlreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten erfahren. Waren es früher vor allem Kriege und starke Wettereinflüsse, die dem einstmalig frei stehenden Denkmal zu schaffen machten, so sind es heute andere Faktoren, die eine umfassende Beobachtung durch das Bundesdenkmalamt nötig machen. Das über 550 Jahre alte gotische Denkmal steht an einer der befahrensten Straßen Wiens – der Triester Straße.

Ebenfalls aus dem Spätmittelalter stammt die so genannte Penzinger Lichtsäule, in der sich einst – so lautet die Sage – ein Knabe während der zweiten Türkenbelagerung vor den osmanischen Soldaten versteckt hatte. Die Säule, eigentlich ein oktaler Tabernakelpfeiler, verfügt über eine Öffnung zum Aufziehen einer Lampe und einer Nische, in der sich eine Kreuzigungsdarstellung befindet. Auch als Totenleuchte bezeichnet, verweist das Denkmal auf seine ursprüngliche Bedeutung als Kultmal, dessen Grundgedanke die Erinnerung an die Toten darstellt. Licht und Stein hatten schon in vorchristlicher Zeit eine besondere Bedeutung inne. Das Christentum „übernahm das Licht als Zeichen des Sieges über böse Mächte, als Wegweiser zum ewigen Leben, als Symbol der unsterblichen Seele“, so Waltraud Vogel in ihrer Diplomarbeit über sakrale Kleindenkmäler als Zeichen des Glaubens. Eine weitere (spätgotische) Lichtsäule, wie sie früher auf dem Friedhof beim Stephansdom gestanden hat, befindet sich an der Außenwand der Eligiuskapelle an einem Strebepfeiler des Domes.

Die Heilige Dreifaltigkeit

Aus eben solchen Lichtsäulen sollten sich im Laufe der Zeit die so genannten Bildsäulen entwickeln. Neben dem gotischen Typ – wie die Spinnerin am Kreuz – war es vor allem das Barock, das neue Akzente setzte. Ein prominentes Beispiel einer barocken Bildsäule ist die Pestsäule am Graben, die unter anderem von dem österreichischen Bildhauer des Barocks, Johann Bernhard Fischer von Erlach, gestaltet wurde. Der Geschichte nach gelobte der damalige Kaiser Leopold I. während einer Pestepidemie deren Errichtung. Die 18 Meter hohe der Dreifaltigkeit gewidmete Säule enthält neben Reliefs zur Schöpfung, der Pest in Wien und dem Letzten Abendmahl auch Embleme mit Engeln und Wappen der Erbländer Böhmen und Ungarn sowie Figurengruppen – darunter Fides, der die Allegorie der Pest in den Abgrund stürzt – sowie die kniende Figur von Kaiser Leopold I. Über allem thront ein Wolkenberg mit neun lebensgroßen Engeln und zahlreichen Putten.

Die Errichtung solcher Dreifaltigkeitssäulen war in Wien keine Seltenheit. Dementsprechend schmücken auch heute noch weitere Säulen ähnlicher Art – wenn auch bedeutend kleiner – das Stadtbild von Wien. Zu nennen wären hier unter anderem die Dreifaltigkeitssäulen auf dem Sankt-Ulrich-Platz von 1713 und jene vor dem Haus der Wiener Rettung in der Radetzkystraße von 1683.

Die unbefleckte Maria

Neben Säulen, die der heiligen Dreifaltigkeit gewidmet sind, fanden und finden noch heute vor allem Mariendarstellungen in Wien – sowie in Österreich überhaupt – starke Verbreitung. Bei der beliebtesten Form der Mariendarstellung handelt es sich hierzulande um jene der Maria Immaculata, der unbefleckten Maria.

Die berühmteste Darstellung einer Maria Immaculata befindet sich Am Hof und wurde von Kaiser Ferdinand III. gestiftet. Dieser vertraute in einer Stunde der kriegerischen Bedrängnis 1646 (gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges) seine Länder dem Schutze Mariens an und gelobte die Errichtung einer Säule ihr zu Ehren. Neben dem Kaiserhaus war auch der Jesuitenorden, der damals Am Hof ansässig war, an der Ausführung der Säule beteiligt. In der Widmung findet sich ein Hinweis auf eine Mariensäule in München, die als Vorbild diente. Dieser „Hinweis auf München zeigt überdies die Bindung an die in Bayern betriebene Gegenreformation“, so Garhardt Kapner in seinem Werk „Freiplastik in Wien“.

Tatsächlich war Österreich seit Ferdinand II. (1578-1637) „nach Rom zurückgeführt worden“, so Kapner. „Der protestantische Adel wurde ersetzt durch einen altgläubigen aus den romanischen Ländern, das lutherische Bürgertum der Städte musste vielfach auswandern, und das breite Volk unterlag einem Prozess der Umerziehung, in dem Kunst zum Mittel der Bekehrung wurde.“ Zahlreichen Orden wurden nach Wien geholt, in deren Umfeld diverse Bruderschaften entstanden, um bei der Rekatholisierung des Volkes zu helfen.

Im Zeichen der Gegenreformation

Während die Protestanten Heiligenverehrung ablehnten und immer noch ablehnen, wurden von Seiten der Katholiken im Gegenzug immer mehr Heilige auf den Sockel gehoben, um so die Bindung des Volkes zur Kirche zu stärken. So entwickelte sich unter anderem nach der Heiligsprechung des böhmischen Priesters Johannes Nepomuk ein regelrechter Nepomukkult. Die Kulturgut-Seite der Stadt Wien, die Auskunft über sämtliche Wiener Kulturschätze wie Denkmäler oder Ausgrabungsstätten liefert, verweist auf knapp 80 Darstellungen zum Heiligen Nepomuk alleine in Wien. Sehr schöne Darstellungen des Heiligen Nepomuk finden sich beispielsweise an der Rossauerbrücke, auf dem Sobieskiplatz und im Durchgang zwischen Lederergasse 8 und der Seitenfassade der Piaristenkirche. Andere Heilige, die auf der Wiener Kulturgut-Seite zu finden sind, sind unter anderen die Heiligen Petrus, Paulus und Leopold. Letzterem wurde mit dem so genannten Prälatenkreuz in der Liechtensteinstraße ein besonderes Denkmal gesetzt. Gestiftet wurde es von Propst Ambros Lorenz, weil dieser bei einer Explosion des Pulvermagazins in der Pulverturmgasse 1779 auf der Reise von Wien nach Klosterneuburg nur knapp dem Tode durch eine Kanonenkugel entkommen war.

Zu jener Zeit herrschte allerdings schon eine andere Stimmung im Lande und die Heiligen hatten zusehends ihre Bedeutung eingebüßt – die Aufklärung unter Josef II. hatte sich bereits breit gemacht.

Wiener Marterl-Wanderweg

Für an sakralen Kleindenkmäler interessierte Wiener bietet sich ein Spaziergang zu den diversen Marterln, Bildstöcken und -säulen, Kapellen und Kreuzen, rund um und in Oberlaa, Unterlaa und Rothneusiedl im zehnten Bezirk an. Informationen zur Strecke und zu den einzelnen Kulturdenkmälern bietet die Pfarre Oberlaa.

Auswahl weiterer Mariensäulen in Wien:
Vor der Piaristenkirche, Jodok-Fink-Platz, Entstehung 1713
Vor der Servitenkirche, Entstehung 1885
Vor der Paulanerkirche, Wiedner Hauptstraße 19, Einmündung Favoritenstraße, Entstehung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Quellen:
Kapner, Gerhardt: Freiplastik in Wien. Jugend und Volk Verlag: Wien 1970.
– Vogel, Waltraud: sakrale Kleindenkmäler als Zeichen des Glaubens und christlicher Tradition am Beispiel Klosterneuburgs. Diplomarbeit 1991.
– Wolf, Alfred: Denkmäler und Zierbrunnen in Wien-Alsergrund. Sutton: Erfurt 2005.
– Benda, Ignaz: 500 Jahre Spinnerin am Kreuz. Eine kunst- und kulturgeschichtliche Studie. Favoritner Heimatmuseum und Volkshochschule Favoriten: Wien 1953.
– Bundesdenkmalamt: www.bda.at
– „Wien Kulturgut“: www.wien.at/kultur/kulturgut

Geschrieben von Sandra Schäfer